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  • AutorenbildOffenes Herz

Sophia in Peru - Ausschnitte aus dem zweiten Patenbrief


Sophia, seit drei Monaten in Lima, erzählt in ihrem zweiten Paten­brief von einer beson­deren Freundin:


Liebe Paten, (...) In Ver­bin­dung zu all dem möchte ich Euch gerne von einer lang­jäh­rigen und sehr guten Freundin des Punto hier berichten: Pau­lina. Im Beginn einer jeden Mis­sion ist Santi, ihr Sohn, einer der ersten Freunde, die wir ken­nen­lernen dürfen, denn er kommt täg­lich min­des­tens drei Mal. So häufig, das wir oft schon nach ein paar Tagen an der Art des Klop­fens hören, wenn er vor der Tür steht. Santi hat vor einigen Tagen mit uns seinen drei­und­vier­zigsten Geburtstag gefeiert und er besitzt eine geis­tige Beein­träch­ti­gung. Jedes Mal wenn er kommt, bittet er um Wasser: „Agua!“ Das ist das erste Wort, das er sagt. Das zweite ist „Bien!“ (Gut) auf unsere Nach­frage hin, wie es ihm geht und das dritte ist „Ciao!“ – und schon ist er wieder weg. Eine große, tief­grün­dige Unter­hal­tung ist für uns mit ihm nicht mög­lich. Umso wich­tiger ist es für uns, all die Liebe die wir im Schenken können in unseren Blick und in das ein­fache Geben des Was­sers zu legen, denn die Liebe ist es, nach der er eigent­lich fragt und dürstet, das Wasser ein Vor­wand, auf den wir uns gerne ein­lassen. Nachdem ich durch die täg­li­chen Besuche Santi etwas ken­nen­lernen durfte, war einer meiner ersten Besuche bei Pau­lina, seiner Mutter. Da sie eine Freundin ist, die wir sehr regel­mäßig besu­chen, war ich mitt­ler­weile schon ein paar Mal bei ihr. Pau­lina hat neben Santi noch drei andere Kinder, mit denen sie und ihr Mann alle zusam­men­leben. Neben Santi haben noch zwei ihrer Kinder geis­tige Beein­träch­ti­gungen. Das eine ist ihre Tochter, die autis­tisch ist. Der andere Sohn ist Carlos, dessen Zustand zuge­geben für mich erstmal ein Schock war. Laut Pau­lina bekommt er ein wenig mit von dem, was gespro­chen wird. Zum Bei­spiel ist er traurig, wenn man schlecht über ihn spricht. Jedes Mal, wenn wir kommen, sitzt er in der einen Ecke des Sofas, er schläft oder sein Blick geht ins Leere, manchmal läuft er ziellos in Kreisen umher. Doch fast immer gibt er Geräusche von sich, die mich jedes Mal zutiefst erschau­dern lassen. Es ist eine Art Knacken oder Knir­schen, das er ent­weder mit seinem Kiefer oder seinen Zähnen macht. Eigent­lich eine sehr neben­säch­liche Sache, aber aus irgend­einem Grund ist das Aus­halten dieses Geräusches für mich unheim­lich schwer, jedes Mal habe ich das drin­gende Bedürfnis, ein­fach nach draußen zu rennen, so weit weg wie nur mög­lich. Es ist schwierig für mich in diesen Momenten ein­fach dort sitzen zu bleiben, den inneren Stress, den es bei mir ver­ur­sacht, zur Seite zu schieben und in dieser Familie ganz prä­sent zu sein und sie durch Gott lieben zu dürfen. Doch diese Schwie­rig­keit ist auch eine Gnade für mich, weil sie mich erfahren lässt, wie viel Stärke Gott mir in den Momenten schenkt, in denen ich schwach bin. Außerdem glaube ich, dass unsere Prä­senz in dieser Familie sehr wichtig ist. Auch muss ich sagen, dass ich jedes Mal berei­chert wieder zurück­komme, denn Pau­lina ist ein großes Vor­bild für mich. Für ihre Kinder, vor allem für Carlos – „mi bebé (mein Baby)“ – wie sie ihn nennt, muss sie rund um die Uhr da sein. Frei­zeit ist ein Fremd­wort für sie. Alles was sie tut, tut sie für ihre Kinder, für sie opfert sie sich ganz auf. Ich kann mir nicht vor­stellen, was eine Mutter mehr für ihre Kinder tun könnte. Wenn wir sie besu­chen, freut sie sich einen Grund zu haben, sich kurz auf ihren kleinen alten Sessel nie­der­lassen zu dürfen, vor lauter Erschöp­fung fallen ihr jedes Mal kurz die Augen zu – eine Pause, die wir ihr gerne gönnen. Und doch habe ich sie nie klagen gehört, sie beschwert sich nie über das Leben, das sie führt. „So ist es eben“, sagt sie. Sie hat jeden Tag aufs Neue so viel Liebe und Geduld für ihre Kinder! Sie selbst ver­spürt kein kör­per­li­ches Leiden, für eine Frau ihres Alters darf sie sich bisher über ein gesundes Leben erfreuen. Doch sie leidet sehr unter dem Kreuz ihrer Kinder. Nicht wegen der Arbeit, die sie des­wegen hat, ein­fach nur aus dem Grund, dass sie ihre geliebten Kinder leiden sieht. Einmal haben wir wie gewohnt in der Per­ma­nencia den Rosen­kranz gebetet, als plötz­lich die Tür mit einem großen Schwung auf­ging und eine vor Freude strah­lende Pau­lina darin stand. Mit über­schwäng­li­cher Freude begrüßte sie uns alle, betete mit uns und danach setzten wir uns in der Küche mit ihr zusammen. Es war das erste Mal für viele von uns, dass wir sie einmal außer­halb ihrer Woh­nung sahen. Sie erzählte, es sei der erste Tag seit über einem Jahr, dass ihr Mann sich Zeit nahm, sich um die Kinder zu küm­mern, damit sie einmal das Haus ver­lassen könne. Dann erzählte sie uns ganz selbst­ver­ständ­lich, wie sie mor­gens früh auf­ge­standen ist, um in die Messe zu gehen und dann später kam, um uns zu besu­chen. Was für eine Liebe und für einen Glauben muss sie zu Gott haben, dass sie in ihrem ein­zigen freien Tag nach so langer Zeit auf­steht, um in die Messe zu gehen. Und was für eine Ehre ist es für uns, dass sie ihre freie Zeit nutzt, um uns zu besu­chen und mit uns zu beten, was für ein wun­der­schönes Kom­pli­ment! (...) Feliz Navidad y feliz año nuevo Sophia


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