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  • Offenes Herz

Patenbrief von Francisco aus El Salvador



Ein Sonntagsfrühstück wie jedes andere wurde zu einem ganz besonderen Moment, als Charo und ihre Enkeltochter Sofía bei uns vorbeikamen und wir sie einluden hereinzukommen. Ich war immer sehr berührt von der Einfachheit, mit der diese enge Freundin von sich und ihrer sehr großen Familie spricht, dieser Morgen war da keine Ausnahme. Auch wenn Sofías Getue und ihre Strategie, ihren ganzen Bauch zu zeigen, um "sich nicht schmutzig zu machen", eine ständige Ablenkung war, wurde mir bewusst, dass der Kern, von dem was diese Frau sagte, darin besteht, dass für sie alles von Gott kommt: ihre Situation, und die ihrer Kinder, Enkel und Urenkel. Gott ist immer in allem, er kümmert sich um sie und hilft ihnen auf ihrem Weg. Und da war also diese Frau, die uns bat, ihr zuzuhören und ihr zu helfen, in der Überzeugung, dass wir eine Gabe Gottes für sie sind. Das ist zweifellos das große Geschenk von Charo an uns, wenn sie uns aufsucht. Ihre beständige Botschaft ist eine Art Kompass, an dem wir uns orientieren: dass wir es nicht durch unsere Anstrengung verdienen, so betrachtet zu werden, dass es nicht die guten Werke sind, die uns der Gegenwart Jesu im „Offenes Herz" würdig machen. Im Gegenteil, ist es erst seine Gegenwart und sein Blick, durch die in den Tiefen unserer Herzen der Wunsch entsteht, diesem Geheimnis zu entsprechen. 


Bereits im Verlauf des letzten Treffens las ich in einem Text von Thomas von Kempen "Liebe die Menschen um Jesu willen und Jesus um seiner selbst willen" - ein Satz, der sich durch die harten Umstände, deren Zeuge ich in letzter Zeit geworden bin, wie ein Bohrer auf Beton durchschlug: Wir sind zurzeit von den vielen Begegnungen getrennt, die wir in unserem Dienst erleben, von der Routine des Alltags und sogar von Familie und sehr engen Freunden. Aber eigentlich sind die Begegnungen, das Gebet, die Messe, die Liturgie, die Anbetung, das Apostolat... alles, was uns zu leben gegeben wird, Mittel, damit Jesus an erster Stelle steht. Mittel, um die Vereinigung mit ihm zu suchen. "Liebe die Menschen um Jesu willen und Jesus um seiner selbst willen“ … dann ist die Veränderung, die wir jetzt erleben, gar nicht so drastisch.



Bei früheren Gelegenheiten hatte ich die Absicht, über Mayra zu schreiben, ein kleines Mädchen, die eine für ihr Alter unverhältnismäßige Verantwortung tragen musste. 


Ich glaube, ich hatte nie über sie geschrieben, weil ich mir nicht sicher war, was ich eigentlich in ihr sah. Im Alter von 9 oder 10 Jahren ist sie bereits für die Einkäufe im Haushalt zuständig, und ihre Mutter, die viel Zeit bei der Arbeit verbringt, verlässt sich darauf, dass sie sich um ihre Großmutter kümmert und sogar (ich weiß nicht, ob sie das immer noch tut) Lebensmittel in eine gefährlich weit von ihrem Zuhause entfernte Gegend liefert. Obwohl sie ganz nah am „Offenes Herz“ dran ist und zu der Gruppe der Messdiener gehört, die uns auch oft besuchen, gibt es etwas an ihr, das schwer zu beschreiben ist und das man zunächst mit Schüchternheit verwechseln könnte… Aber so ist es nicht, sie kämpft und streitet mit mir ganz fließend und selbstbewusst. Ich denke, sie ist einfach jemand, der nicht vor dem Schweigen davonläuft, jemand, der für sein junges Alter eine große Fähigkeit hat, die Dinge zu verinnerlichen. Genau deshalb war sie so wortkarg, denn im Gegensatz zu anderen Mädchen sucht sie nicht das Rampenlicht, obwohl sie sehr offen für Zuneigung ist, sie ist bereit zu schweigen, ohne Angst vor einer Pause, und ich glaube, dass sie daraus Kraft schöpft… und ich meine damit nicht die Kraft mit der sie mich oder die Kinder in der Schule schlägt.

Mit diesem Respekt vor der Stille erinnert mich die kleine Mayra auch daran, wie der Engel zu Maria kam, die schweigend in ihrem Zimmer betete.

Es gibt Hoffnung zu wissen, dass wir in dieser Enge, die wir gezwungenermaßen leben, sicher sein können, dass es wichtiger ist, eine Intimität mit Jesus zu pflegen, als zu versuchen, Gutes zu tun und mit eigenen Initiativen anderen zu helfen. Aber diese große Herausforderung, fernab vom Leben im Viertel, kann auch zur größten Gnade werden: sie drängt uns nämlich zweifellos dazu, die Gemeinschaft wiederzuentdecken und sie wirklich zu schätzen…


Ich denke an Claudia, eine talentierte Fußballerin, die nach Erlangung eines Stipendiums für eine Privatschule mir in den letzten Monaten näher stand als sonst.  Das Stipendium, so positiv es auch erscheinen mag, versetzt sie in eine akademische Position, die weit über dem liegt, was sie in der öffentlichen Schule erreicht hatte, und birgt ein hohes Risiko, sie zu entmutigen. Sie besucht ganze Unterrichtseinheiten auf Englisch und in einigen wird ihr sogar diktiert. Im Moment hat Claudias Persönlichkeit ihr geholfen, nicht einmal ans Aufgeben zu denken, sondern Hilfe zu suchen. Und so hatte ich die Gelegenheit, sie ein wenig besser kennenzulernen. Es gibt viel zu bewundern an diesem Mädchen, das nie vor einer Herausforderung wegzulaufen scheint. Aber ich schreibe über sie wegen ihrer Beziehung zu Miguel, ihrem Bruder, der eine Sprachbehinderung hat. 

Es ist nicht überraschend, dass ich mit meinem permanenten Aufmerksamkeitsdefizit völlig ratlos bin, wenn Miguel versucht, mir etwas zu sagen. Tatsächlich hatte ich das gleiche Problem mit vielen anderen Kindern (einschließlich der Fernanditos und im Allgemeinen auch mit allen Kindern unter 14 Monaten). Aber Claudia ist anders im Umgang mit ihrem Bruder. Nicht, dass sie besser verstehen würde, was er sagt, aber es gibt eine Einheit zwischen ihnen, so dass sie manchmal nicht einmal reden müssen. An einem dieser Abende, bevor sie in unser Haus kam, um ihre Hausaufgaben zu machen, reichte Miguel ein Blick, um zu verstehen, dass sie wollte, dass er nach Hause ging, und er ist gegangen. Auf diese Weise funktioniert es in beide Richtungen.  Ich erinnere mich, dass Claudia eines Abends, als wir auf dem Platz spielen wollten, irgendwie verstand, dass ihrem Bruder die Schuhe zu eng geworden waren, aber noch mehr, dass er sie auswechseln wollte. Und so war es. Sie gingen zusammen, um sie auszutauschen, und das löste das Problem. Diese Kinder haben mich gelehrt, dass Gemeinschaft über Kommunikation hinausgeht. Wenn sie authentisch ist, wird sie zu einer Einheit im Wollen. Und in diesen Momenten, in denen ich nicht mit dem Leib und dem Blut Jesu in Gemeinschaft treten kann, habe ich erkennen können, dass auch dieses sinnlos ist, wenn es nicht mit dem Wunsch geschieht, alles zu teilen, mit dem Wunsch, dass sein Wille der meine sei. Wie Maria im Angelus "mir geschehe nach deinem Wort"... ein Wunsch vollkommener Einheit.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir diese schwierigen Trennungen noch länger durchleben müssen und dass die Rückkehr zur "Normalität" nicht schnell erfolgen wird. Aber ich freue mich zu denken, dass, wenn ich sehe - wie Charo es sieht -, dass alle Gnade von Gott kommt, und wenn ich - wie Mayra - die Zeit der Besinnung empfange, ich, wie Claudia und Miguel, in eine tiefe Gemeinschaft mit Christus eintreten kann.

Nicht trotz eines schweren Kreuzes, sondern vielmehr in dem Kreuz. Wie François Libermann feststellte: Wer ist glücklicher als derjenige, der seine Wünsche erfüllt sieht?

Francisco



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